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Chanukka-LeuchterChanukka-Leuchter Frankfurt a.M. 1680 - Jüdisches Museum Frankfurt

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hlands (VGD)

Die Familie Rothschild
Stichpunkte zur historischen Realität (im Aufbau)

So wie der “jüdische Geldverleiher” im Mittelalter vermeintlich für die Begründung einer Affinität der Juden zum Geld steht, so setzen dies die Legende um Joseph Süss Oppenheimer (“Jud Süß”) in der Zeit der Fürstenherrschaft  und das Rothschild-Syndrom vom geldgierigen modernen Bankier bis heute als zentrales antisemitisches Vorurteil fort.

Den Mythos vom kirchlichen Zinsverbot und die Realität, dass jüdische Bankiers im Mittelalter keineswegs alleine den Geldverleih beherrschten, sondern sich darin in Konkurrenz zu Christen befanden, haben wir auf verschiedenen Seiten mit Analysen und Materialien belegt (vgl. Geldverleiher; Mittelalter1; Mittelalter2). Ebenso, dass der Hoffaktor Joseph Süss Oppenheimer am württembergischen Hof die Geldbedürfnisse seines Herzogs in enger Zusammenarbeit mit der christlichen Finanzwelt Frankfurts und Amsterdams befriedigte, darüber hinaus auch mit eigenem Vermögen einstand und im Übrigen moderne Wege zur Konsolidierung der Staatsfinanzen (Schuldenabbau) einschlagen wollte (vgl. Joseph Suess).

In diesem Sinne sind auch einige Stichpunkte zur historischen Realität des Wirkens der Rothschilds notwendig.

Die Geschichte der Judengasse ist umfänglich auf dem Portal des Museums Judengasse Frankfurt dokumentiert. Dort finden sich auch mehrere Einträge zur Familie Rothschild. Zur Entstehung dieses ersten Ghettos in Deutschland vgl. auch unsere Seite zur Judengasse Frankfurt.

Das Rothschild Archive bietet darüber hinaus umfassende Informationen zur verzweigten Familiengeschichte (englisch), ebenso Wikipedia.

 

Literatur:

Christian Wilhelm Berghoeffer: Meyer Amschel Rothschild, der Gründer des Rothschildschen Bankhauses. Frankfurt a.M. (Englert & Schlosser) 1928.

Georg Heuberger (Hg.): Die Rothschilds. Eine europäische Familie. Sigmaringen/`Frankfurt a.M. (Thorbecke/Jüdisches Museum Frankfurt) 1994.
Georg Heuberger (Hg.): Die Rothschilds. Beiträge zur Geschichte einer europäischen Familie. Sigmaringen/`Frankfurt a.M. (Thorbecke/Jüdisches Museum Frankfurt) 1994.
Begleitbuch und Essayband zur gleichnamigen Ausstellung.

Frederic Morton: Die Rothschilds: Porträt einer Dynastie. München (dtv) 1998.

Fritz Backhaus: Mayer Amschel Rothschild. Ein biografisches Porträt. Freiburg i.Br. (Herder) 2012.

 

Die Familie, deren Namen später Rothschild sein sollte, nach der Benennung des Hauses zum Roten Schild, war spätestens seit 1567 in der Judengasse ansässig, als der erste bekannte Vertreter der Familie, Isaak Elchanan, in der Judengasse das Haus zum Roten Schild erbaute. Die Judengasse bestand damals seit einem Jahrhundert und die ursprünglich für kaum mehr als 100 Personen errichtete und dafür großräumige Gasse füllte sich nun zusehends mit Häusern und Bewohnern, so dass sie im 18. Jh. mit mehr als 3000 Einwohnern vollkommen überfüllt war und in der Enge unter furchtbaren sanitären Verhältnissen litt.

Mayer (od. Meyer) Amschel Rothschild wurde 1743 oder 1744, vielleicht am 23.2.1744 (das Datum ist nicht gesichert), in der Hinterpfann geboren, d.h. einem nachträglich hinter dem Haus Pfann erbauten Gebäude. Die Bebauung der ursprünglichen Freiflächen zwischen der Häuserzeile und der Ghettomauer zeugt von der zunehmenden Enge in der Judengasse. 1770 heiratete er Gutle (Gudula) Schnapper und zog in den 1780er Jarhen  in das Haus zum Grünen Schild ein, von dem er jedoch nur die Hälfte erwerben konnte - die Häuser waren zwischen den Familien aufgeteilt - und er verbrachte dort aber letztlich nur wenig Zeit, da er bald als Hoffaktor geschäftlich unterwegs war und dann die “Franzosenzeit” ab 1796 ohnehin eine Liberalisierung brachte.

1764 machte sich Mayer Amschel selbstständig als Händler in alten Münzen und Antiquitäten und war auch wie sein Bruder Moses, erster jüdischer “amtlich bestellter Wechselmakler”,  im Wechselgeschäft tätig. Schon sein Großvater Moses Kalmann hatte seinerzeit von Joseph Süss Oppenheimer Wechsel übernommen.

Frankfurt_Judengasse_1868_klein

Einblick in die Frankfurter Judengasse kurz vor ihrem Abbruch.
Oben: Foto von Theodor Creifelds, ca. 1868. Wikimedia Commons
Unten: Gemälde von Anton Burger, 1883. Wikimedia Commons
Nach der Aufhebung des Ghettozwangs in der napoleonischen Zeit verblieben nur noch die ärmeren Juden in der zusehends verfallenden Judengasse, was die Bilder, v.a. das romantisierende Gemälder, nicht unbedingt wiedergeben..

Frankfurt_Am_Main-Anton_Burger-Judengasse_in_Frankfurt_am_Main-1883_klein

Wechselgeschäft. Worin bestand diese Tätigkeit? Es war Teil des Kreditwesens. Wechsel waren Schuldverschreibungen und konnten weiterverkauft werden. Ein  Großteil der Finanztransaktionen des 18. Jh.s waren Kreditgeschäfte für die verschwenderischen Fürstenhöfe, bei denen häufig Umschuldungen vorkamen, d.h. bestehende Schulden konnten nur durch neu aufgenommene Schulden (meist zu höheren Zinsen) zurückgezahlt werden. Die Verschuldungsspirale brachte v.a. kleinere Fürstenhäuser in Not und einige hessischen Grafen fielen in diese Kategorie. Wenn christliche Geldgeber nicht mehr bereit waren, Kredite an überschuldete Fürsten zu geben, so sprangen risikobereite jüdische Geldgeber ein, wie dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt Süss Oppenheimer. Mit dem Geld, dass sie vermittelten, kauften sie dann auch für die Fürsten allerlei Preziositäten, Luxuswaren im Allgemeinen  oder finanzierten Kriegseinsätze. Sie konnten dadurch eine steile Erfolgskarriere machen oder schnell untergehen und dies sogar, wie im Fall von Süss am württembergischen Hof, mit dem Leben bezahlen.
Das Wechselgeschäft war ein wesentlicher Bestandteil des internationalen Börsengeschäfts und auch in Frankfurt stand es seit jeher im Mittelpunkt der Messe. Mit der beginnenden Industrialisierung, zuerst in England, und den aufkommenden modernen Banken und neuen Aktiengesellschaften wandelte sich dieser Aspekt des Kreditgeschäfts hin zu produktiven Anlagen. Wie auch andere profitierte Mayer Amschel Rothschild davon, bereits im Geldgeschäft etabliert zu sein, wenn auch bis dahin nur als kleine Größe, um auf diesen Zug aufspringen zu können.
Wie nach Marx’ Analyse dem Kapitalismus eine Phase “ursprünglicher Akkumulation des Kapitals” vorausgehen musste, damit das notwendige Kapital da war, das die kapitalistische Dynamik  entfalten konnte, so galt dies analog für die Karriere der Rothschilds und aller anderen, auch Christen,  im Finanzwesen.

Hoffaktor. 1769 erewarb sich Mayer Amschel den Titel “Hoch-Fürstlichen Hessen-Nassauischer Hof-Factor” in Diensten des Landgrafen Wilhelm von Hanau. Daneben betrieb er seinen Münzhandel weiter und erlangte dadurch Kontakte zu weitgespannten herrschaftlichen Kreisen. Dennoch wurde er dadurch noch nicht wirklich reich, sein Einkommen kategorisierte ihn noch in der wohlhabenden Mittelschicht. In den 1770er Jahren lag sein Jahreseinkommen bei ca. 2400 Gulden, das entsprach etwa dem der Familie Goethe [1], die zu jenem Zeitpunkt bereits vom Ertrag des Vermögens lebte, nachdem Goethes Vater Johann Caspar, der Jurist am Reichskammergericht gewesen war. sich aus dem aktiven Erwerbsleben zurückgezogen hatte.
In der Revolutionszeit dehnte Rotschild seine Tätigkleit auf den Handel mit englischen Tuchen und Kolonialwaren aus. Dies macht auch deutlich, dass es reine Bankiers über das kleine Geldwechselgeschäft bis dahin praktisch nicht gegeben hatte, vielmehr entwickelten sich Handel und Kreditwesen parallel und miteinander verbunden und entsprechend nahen Händler auch Kredite auch und vergaben Kredite. So entstanden langsam Bankiers. Man kann das sehr gut an der Geschichte der anderen (christlichen) Frankfurter Familie Bethmann nachvollziehen. Johann Philipp Bethmann war eine Generation älter als Mayer Amschel Rothschild. V.a. unter Moritz Simon Bethmann, dem Sohn und Nachfolger, traten die Häuser Bethmann und Rothschild in Konkurrrenz zueinander in der Gunst áls Finanziers europäischer Fürstenhöfe. Beim Kurfürsten von Hessen-Kassel gelang es M. A. Rothschild, die Bethmanns als Hofbankiers zu verdrängen.

 

Im Aufbau - wird fortgesetzt...

 

 

[1] Cf. Backhaus, S. 32, 36.

Vgl. auch Rothschild (Familie), >Wikipedia
Mayer Amschel Rothschild, >Wikipedia

Vgl. Familie Bethmann, >Wikipedia
Johann Philipp Bethmann, >Wikipedia
Moritz Simon Bethmann, >Wikipedia

Bethmanns and Rothschilds (liegt nur auf Englisch vor) >Wikipedia

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