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Chanukka-LeuchterChanukka-Leuchter Frankfurt a.M. 1680 - Jüdisches Museum Frankfurt

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Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer


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hlands (VGD)

1789-1848: Zwischen zwei Revolutionen

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1. Links und Infos

2. Ludwig Börne: Für die Juden (1819)(Auszug)

 

1. Links und Infos

Gabriel Riesser 1806 - 1863  - eine Website rund um den Kämpfer für die Gleichstellung der Juden und Vizepräsidenten der Paulskirchenversammlung, mit Texten aus der Debatte in der Paulskirche sowie zur Entwicklung bis dahin seit Ende der napoleonischen Zeit: Fragen zum nationalen Sebstverständnis der Deutschen, zur Bildung, zur sozialen und rechtlichen Lage der Juden in den deutschen Staaten. Didaktisch aufbereitetes Material mit Zugängen für Sek. I und Sek. II.

Peter Rawert: Gabriel Riesser - Deutsch oder heimatlos, in Die Zeit Nr. 18/2013, 25.4.2013

Preußisches Emanzipationsedikt von 1812 (Auszug) auf heinrich-heine-denkmal.de

Die Hep-Hep-Krawalle im Jahr 1819. Auszug aus der Geschichte der Juden von Heinrich Graetz auf heinrich-heine-denkmal.de

Preußisches Judengesetzt von 1847 in der Gesetz-Sammlung für die königlichen preussischen Staaten auf google.de, S.263 ff.

Heinrich Heine über die politische Eintwicklung in Deutschland und den Antisemitismus innerhalb der nationalliberalen Bewegung, Auszug aus seiner Denkschrift zu Ludwig Börne im >>Geschichtslehrerforum.

Wird ergänzt...

2. Ludwig Börne: Für die Juden (1819)

Auszug aus einer mehrteiligen Veröffentlichung in der von Börne herausgegebenen Zeitschrift Zeitschwingen.

1.

[…]  Vormals hatte man aus Glaubenswut Juden und Ketzer verbrannt; aber weil dieses unmenschlich war, kann es nicht menschlich gerichtet werden. Man beraubte die Gemordeten; denn das Fett der Schlachtopfer war stets der Lohn der priesterlichen Dienste. Aber jetzt, da auch der ruchloseste Heuchler nicht zu sagen wagt, daß er die Juden wegen ihres Glaubens verfolge, womit wird jetzt die Bosheit beschönigt? Sonst dachte man, die Juden kämen nicht in den Himmel, und darum wollte man sie auch nicht auf Erden dulden; aber jetzt, da man ihnen den Himmel gönnt, warum möchte man sie immer noch von der Erde vertilgen?

Boerne_Oppenheim_1827

Ludwig Börne 1827
Porträt von Moritz Daniel Oppenheim
Wikimedia Commons

Es wird mit der schamlosesten Heuchelei gegen die Juden zu Werke gegangen, es werden lügnerische Behauptungen mit solcher Keckheit geführt, daß selbst Gutgesinnte dadurch getäuscht werden, weil sie nicht glauben können, daß man sie so plump betrügen wolle. Darum will ich die Toren entlarven und den Bösewichten! ins Angesicht leuchten. Sie werden lärmen und schwirren wie die aufgeschreckten Nachteulen. Die hochweisen regierenden Knechte werden sagen: man solle die Gemüter nicht aufreizen durch Reden. Sie meinen, wenn alles hübsch dunkel bliebe, dann sähen sich die Feinde nicht, und sie müßten Ruhe halten. Aber besser ist's, daß die Fackel der Wahrheit als die der Mordbrennerei die Nacht erhelle. Die Wahrheit reizt, ja; denn sie ist reizend; aber sie erbittert nicht. Das Gefühl der Beschämung schmerzt, aber es führt die Schuldigen zur Reue, nicht zur Wiederholung des Verbrechens. Das aufgeklärte Volle wird einsehen lernen, daß es das Schlechte nicht einmal zu seinem eignen Vorteile beging, sondern daß es das unredlich Erworbene einigen unersättlichen Aristokraten überlassen muß. Es wird begreifen lernen, daß man es zum Mißbrauche der Freiheit verleitete, um sagen zu können, daß sie keiner Freiheit würdig seien, und daß man sie zum Gefängniswärter der Juden bestellt, weil die Gefängniswärter wie die Gefangenen den Kerker nicht verlassen dürfen. Daß eine Türe mehr den Ausgang versperre, eine weniger, das ist der Unterschied; unfrei sind sie beide.

2.

In dem letzten Jahrzehen vor der Französischen Revolution wurden von deutschen Staatsgelehrten, wie für difc Gesetzgebung überhaupt, so auch für die bürgerlichen Verhältnisse der Juden menschlichere und verständigere Grundsätze aufgestellt, und die Franzosen begannen ihre Staatsumwälzung damit, daß sie diese Grundsätze ins Leben einführten. In Westfalen, dem Großherzogtum Frankfurt und in andern deutschen Ländern, wo zur Zeit der Napoleonschen Herrschaft französische Regierungsart sich geltend gemacht, wurde die Rechtsgleichheit der Juden mit den übrigen Bürgern verfassungsmäßig aufgenommen. Es geschah dieses ohne Widersetzlichkeit, ja ohne Murren des Volkes. Napoleon fiel, und Deutschland wurde frei. Alsobald erhohen sich im nördlichen Deutschland einige Schriftsteller, die gegen die Juden eiferten, und die freien Städte, das siebenschläferige Frankfurt besonders, suchten das alte Recht der Juden, oder vielmehr ihren ehemaligen rechtlosen Zustand, aus dem Staube der Archive wieder hervor. Es ist zu untersuchen, aus welcher Quelle das eine und das andere entsprang.

 Bei den Deutschen, welche alle Tyrannei, unter der sie litten, dem Napoleon allein auf den Hals geworfen (denn es ist ein verführerischer Traum, an der Tyrannei nur einen Hals zu sehen), schmolz Freiheitstrieb und Franzosenhaß in ein Gefühl zusammen. Und wie man selbst das Gute verkennt oder verschmäht, was Feindeshände darbieten, so verkannte oder verschmähte man auch das Achtungswürdige, das mit der französischen Gesetzgebung ins deutsche Vaterland gekommen. So begann man nach Vertreibung der Franzosen hier und dort die bürgerliche Freiheit der Juden, die ihnen jene geschenkt, als etwas Verderbliches zu betrachten. Dazu kam, daß man die Juden für Freunde der französischen Herrschaft hielt, weil sie, wenn auch nicht weniger als die übrigen Deutschen gedrückt, doch sie allein für die Not einigen Ersatz gefunden. Es ist verzeihlich, wenn ein unbehagliches Gefühl uns gegen diejenigen anwandelt, die aus der Quelle unserer Leiden Vorteil schöpfen — ich meine, es ist eine verzeihliche Schwäche.

Die ruhmvollen öffentlichen Redner, welche das deutsche Volk entflammten und bewaffneten, wollten lehren, was sie gelernt, nämlich daß das Vaterland nur darum unterjocht werden konnte, weil es zerstückelt war. Die Einheit der Herrschaft konnten sie nicht herstellen, so wollten sie wenigstens die Einheit des Volkes bewirken durch gleichen Geist, gleiches Herz und gleiche Nahrung für beide. Diese Nahrung aber, urteilten sie, müsse der kindlichen Natur und Schwäche der deutschen Freiheit angemessen sein, einfach und leicht aufzulösen. Die Juden mit ihrem Fremdartigen, mit ihrer abgeschlossenen Bildung erschienen ihnen zu selbständig, um mit der allgemeinen Freiheit assimiliert werden zu können, sie dünkten ihnen eine harte unverdauliche Speise. Dazu kam noch allerlei theatralischer Spuk. Man wollte wie in einer Oper ein unisones und uniformes Chor; man wollte nur Deutsche, wie sie aus den Wäldern des Tacitus gekommen, mit roten Haaren und hellblauen Augen. Die schwarzen Juden stachen häßlich ab. Endlich war es der zur Zeit des Befreiungskrieges noch dunkle Trieb, der erst jetzt zur Klarheit gekommen, daß nämlich alle das Streben und Kämpfen des deutschen Volks gegen die Aristokratie gerichtet sein müsse, dieser war es auch, welcher die Schriftsteller gegen die Juden feindlich stimmte. Denn die Juden und der Adel, das heißt Geld und Vorherrschaft, das heißt dingliche und persönliche Aristokratie, bilden die zwei letzten Stützen des Feudalsystems. Sie halten fest zusammen. Denn die Juden, von dem Volke bedroht, suchen Schutz bei den vornehmen Herrn, und diese, von der Gleichheit geschreckt, suchen Waffen und Mauern im Gelde. Man trenne sie, indem man den Juden die Beschützung von seiten der Großen entbehrlich mache, damit letztere zu keinen jüdischen Anleihen ihre Zuflucht nehmen können und unter Vormundschaft der bewilligenden oder versagenden Volksvertreter gestellt werden.

Seitdem es keines Symboles, keines Feldgeschreies, keines allen kenntlichen, allen sichtlichen Paniers mehr bedarf, und seit alle Deutsche wissen, um was sie kämpfen und um was sie sich zu versammeln haben, hat der Franzosenhaß und haben die dazu entflammenden Predigten aufgehört. Ja, freundlich sind wir dem französischen Volke zugewendet; denn es hat für uns gekämpft, für uns geblutet, für uns gebüßt und gesündigt, und mit reinem Herzen dürfen wir ernten, was mehr als eine verbrecherische Hand säen half. Es lehrt uns, was wahre Freiheit sei und wie man sie verdient und wie man ihr nachgeht auf unblutigem Wege. Seitdem sind auch die Lehren des Judenhasses verstummt, und die Schriftsteller, die jene schädlichen Lehren zu verbreiten suchten, schweigen jetzt. Ihr Irrtum ist ihnen zu verzeihen, da sie von ihm zurückgekehrt. Sie haben es redlich gemeint, und die Wahrheit ist nie zu teuer erkauft, auch wenn man sie mit einem vorübergehenden Wahne bezahlte.

Aus: Ludwig Börne, Sämtliche Schriften, neu bearbeitet und herausgegeben von Inge und Peter Rippmann, Bd.1, Dreieich (Melzer) 1977, S.S.873-877. / Internet Archive Wikisource

 

 

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