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AG Deutsch-Jüdische Geschichte

im

Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer


Deutsc
hlands (VGD)

Integration und Ausgrenzung

Deutsch-jüdisches Zusammenleben in der Geschichte.
Erarbeitung neuer Sichtweisen für den Unterricht

Seminar der Bundeszentrale für politische Bildung,  Bonn, in Zusammenarbeit mit dem Verband der Geschichtslehrer Deutschlands und der Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt

Halberstadt 15. – 17. April 2007

 

Rolf Ballof

Einleitung zu dem Seminar „Integration und Ausgrenzung“

 

Meine Damen und Herren,

auch ich möchte Sie im Namen der Veranstalter, der Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt, vertreten durch Frau Jutta Dick, der Bundeszentrale für politische Bildung, vertreten durch Herrn Dr. Harald Geiss, und dem Verband der Geschichtslehrer Deutschlands, hier anwesend der stellvertretende Bundesvorsitzende, Dr. Rolf Brütting, herzlich zu unserem Seminar begrüßen.
Zu danken haben wir als Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Leo Baeck Programm ‚Jüdisches Leben in Deutschland – Schule und Fortbildung’ nicht nur für seinen Beitrag zur Vermittlung deutsch – jüdischer Geschichte im Schulunterricht, sondern auch für die finanzielle Unterstützung, die dieses Seminar ermöglicht hat. Als Vertreterin des Leo Baeck Programms begrüßen wir Frau Dr. Katharina Rauschenberger. Auch der Bundeszentrale für politische Bildung gebührt Dank dafür, dass wir dieses Seminar mit ihr planen, mit ihr dazu einladen konnten und es hoffentlich zu guten Ergebnissen führen können.

Wir freuen uns über das Interesse der Schulbuchverlage an unserer Arbeit, können wir doch hoffen, dass Ergebnisse der Tagung in die Herstellung von Schulbüchern einfließt.

Sie haben im veränderten Programm – letzter Hand – lesen können, dass am Montagnachmittag der Kultusminister des Landes Sachsen – Anhalt, Herr Professor Olbertz, unser Seminar besuchen wird. Er ist sehr an unserer Arbeit interessiert, will uns seine Gedanken dazu vortragen und mit uns ins Gespräch kommen.

Lassen Sie mich bitte kurz etwas sagen zu der Gruppe der Referentinnen und Referenten, die uns Fragestellungen zu den Epochen jüdischer und deutsch – jüdischer Geschichte vorstellen wollen. Die Gruppe ist ein Arbeitskreis innerhalb des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands. Die Gruppe hat auf dem Historikertag 2006 in Konstanz eine Sektion zu dem Thema gemacht und das Temporaheft „Deutsch – jüdische Geschichte – Quellen zur Geschichte und Politik“, das wir Ihnen zu diesem Seminar zugeschickt haben, in enger Zusammenarbeit mit dem Klett Verlag, vertreten durch Herrn Dr. Björn Opfer, vorgelegt. Wir wollen auf diesem Seminar unsere Ergebnisse vorstellen und der Diskussion aussetzen, damit wir wissen, wie es mit der Vermittlung deutsch – jüdischer Geschichte im Unterricht weitergehen kann.

Im Vorwort der Orientierungshilfe heißt es (S. III): „Während deutsch – jüdische Geschichte in Hochschule und Wissenschaft inzwischen ihren festen Platz gefunden hat, wird sie in der schule, in Lehrplänen, Schulbüchern und im Unterricht – von Ausnahmen abgesehen – weiterhin sehr unvollständig und einseitig behandelt. Juden erscheinen zumeist nur als Objekte, Verfolgte und Opfer des Holocaust. Das Positive und die aktive Rolle der Juden in der langen deutsch – jüdischen Geschichte bleiben vielfach ausgeblendet. Deutsch – jüdische Geschichte ist jedoch integraler Bestandteil der Deutschen Geschichte. Ohne sie bleibt Deutsche Geschichte unvollständig.“ Dass die Einschätzung von Hochschulen und Wissenschaft zu optimistisch ist, zeigen die Historikertage, auch Ãœberblickswerke wie der neue Gebhardt oder die Vorlesungsverzeichnisse der Hochschulen zur Genüge. Das ist aber nicht der Gegenstand unserer Beschäftigung. Das Urteil über die Arbeit im Unterricht dagegen scheint mit einigen Einschränkungen zuzutreffen. In vergangenen Jahren hat sich, vor allem in den Schulbüchern einiges getan, aber nach unserer Meinung noch nicht genug. Auch Bessergewordenes ist weiterer Verbesserung zugänglich: es fehlt doch noch ein durchgängiges Konzept einer integrierten Betrachtung der deutsch – jüdischen Geschichte. Bei der Durchsicht von Lehrplänen und auch von Schulbüchern ist festzustellen, dass die gemeinsame Geschichte entweder überhaupt nicht oder nur verkürzt dargestellt wird. Der jüdische Anteil an der deutschen Geschichte wird „ausgeklammert“, wird entweder verschwiegen oder in eine Sondergeschichte abgeschoben. Kennzeichnend für das Konzept von Sondergeschichten ist, dass es die unterschiedenen Gegenstände als nicht integrierbar ansieht. Sondergeschichte verfehlt die Komplexität eines Zusammenlebens von Nichtjuden und Juden und kann den vielfältigen kulturellen, sozialen und auch religiösen Beziehungen nicht gerecht werden; vor allem dann nicht, wenn eine Sondergeschichte – wie meistens – Diskriminierung und Verfolgung der Juden zum Thema hat, aber auch dann nicht, wenn in einer Sondergeschichte Leistungen von Juden in Kultur und Wirtschaft dargestellt werden; denn auch dann erscheinen Juden als die Anderen, als die Fremden und nicht als Mitgestalter einer gemeinsamen Kultur. Zudem: Sonderkapitel lassen sich in der Praxis des Unterrichtens leicht überschlagen.

Wie muss deutsch – jüdische Geschichte erzählt werden, die keine Sondergeschichte ist, sondern die Vielfältigkeit der Beziehungen darstellt, wie kann eine Verbindung von äußerer und innerer Geschichte der Juden in eine deutsche Geschichte so integriert - nicht assimiliert (!) - werden, so dass eine grundlegende Spannung erhalten bleibt?

Wir wollen in diesem Seminar dazu Wege suchen und finden. Sie werden sich sicher wundern, dass wir einen chronologischen Durchgang von der Antike bis zum Nationalsozialismus zur Struktur des Seminars gemacht haben. Wir sind uns der Vorläufigkeit und einer geringeren Tiefenschärfe der zu erwartenden Ergebnisse bewusst; doch erhoffen wir uns eine durchgängige Konzeption einer deutsch – jüdischen Geschichte und Hinweise für eine weitere Arbeit an ihr. Deswegen setzen wir auch auf die Arbeit in den Gruppen, deren Berichte sicher für uns alle aufschlussreich sein werden.

Formal zwar außerhalb der Struktur, aber inhaltlich dazu gehörend sind die Einheiten, in denen Frau Jutta Dick uns das besondere Ambiente der jüdischen Gemeinde Halberstadt zeigen, Herr Dr. Geiger das Thema Juden und Geldverkehr angehen und Frau Dr. Rauschenberger eine besonderes Projekt zu Gabriel Riesser vorstellen werden.

Der Titel des Seminars „Integration und Ausgrenzung“ suggeriert eine vergleichbare Berücksichtigung beider Teile. Die Spannung zwischen Integration und Ausgrenzung sind Merkmale deutsch – jüdischer Geschichte; beide Begriffe sind zusammen zu denken. Während jedoch Ausgrenzung und Verfolgung sehr viel stärkere Berücksichtigungen und Bemühungen in der Wissenschaft und auch im Unterricht erfahren haben, sind Untersuchungen zur Integration erst seit einiger Zeit in der Wissenschaft aufgekommen (Trierer Schule), allerdings noch nicht im Unterricht angekommen. Genau an dieser Stelle setzt unsere Arbeit ein, wie es die Untertitel unseres Seminars intendieren. Wir wollen die gemeinsame Geschichte, Zeiten und Formen des Zusammenlebens, gegenseitige Beeinflussung und gemeinsame Leistungen untersuchen und darstellen. Dazu ist ein Blickwechsel von Ausgrenzung hin zu Integration notwendig. Gelingt dieses, werden wir auch den Begriff der Ausgrenzung schärfen können.

Geschichte ist das, was die Nachwelt aus ihrer eigenen Situation für wichtig hält. Solche Sichtweisen sind immer in Gefahr, kanonisiert zu werden und so den Anfragen einer veränderten Gegenwart nicht mehr gerecht zu werden. Wenn in den Geschichtswissenschaften Fragestellungen der Gegenwart wie Kommunikation und menschliche Beziehungen oder Identität und soziale Kontrolle oder der Wandel der Solidaritäten thematisiert werden, weil sie sich aus der Betrachtung der Gegenwart ergeben, dann muss der Geschichtsunterricht die Anregungen aufnehmen und umsetzen. Dieser Anforderung wollen wir mit diesem Seminar entsprechen.

Ich wünsche unserem Seminar viel Erfolg!

 

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